Walter Frankenstein: Unterschied zwischen den Versionen
(tag 2248) |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[File:Walteridag.jpg|thumb|Walter Frankenstein, 2019]] | [[File:Walteridag.jpg|thumb|Walter Frankenstein, 2019]] | ||
'''Walter Frankenstein''' (* 30. Juni 1924 in Flatow, Westpreußen<ref name="stiftdenk">[https://www.stiftung-denkmal.de/werkstatt/detail/gestern-wurde-der-holocaust-ueberlebende-walter-frankenstein-95-jahre-alt.html Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas: Gestern wurde der Holocaust-Überlebende Walter Frankenstein 95 Jahre alt]</ref>) ist ein [[Schweden|schwedischer]] Holocaust-Überlebender | '''Walter Frankenstein''' (* 30. Juni 1924 in Flatow, Westpreußen<ref name="stiftdenk">[https://www.stiftung-denkmal.de/werkstatt/detail/gestern-wurde-der-holocaust-ueberlebende-walter-frankenstein-95-jahre-alt.html Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas: Gestern wurde der Holocaust-Überlebende Walter Frankenstein 95 Jahre alt]</ref>) ist ein [[Schweden|schwedischer]] Holocaust-Überlebender deutscher Herkunft. | ||
== Leben == | == Leben == | ||
Walter Frankenstein wurde 1924 als Kind jüdischer Eltern in Flatow in Westpreußen im heutigen [[Polen]] geboren. Seine Eltern betrieben dort eine Gastwirtschaft und einen Krämerladen. Am 1. April 1933 wurde im Nationalsozialismus zum Boykott jüdischer Geschäftsleute aufgerufen.<ref name="bzberlin">[https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/walter-frankenstein-93-mit-angst-haette-ich-keine-chance-gehabt Walter Frankenstein (93): „Mit Angst hätte ich keine Chance gehabt“ – B.Z. Berlin, 3. Februar 2018]</ref> Ab 1936 durfte Walter die öffentliche Schule nicht mehr besuchen. Sein Vater war bereits einige Jahre vorher gestorben, daher vermittelte ihm ein Onkel einen Platz im Auerbach´schen Waisenhaus in [[Berlin]]. In diesem Heim für jüdische Kinder lernte er 1941 auch seine spätere Ehefrau Leonie Rosner kennen, die dort als Praktikantin anfing zu arbeiten.<ref name="spiegel">[https://www.spiegel.de/geschichte/holocaust-ueberlebender-walter-frankenstein-keine-angst-vor-nazis-a-1176967.html Holocaust-Überlebender Walter Frankenstein: Keine Angst vor Nazis - SPIEGEL ONLINE, 14.12.2017]</ref> Ab 1938 absolvierte Walter Frankenstein eine Lehre als Maurer an der Bauschule der Jüdischen Gemeinde. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] musste er ab 1941 Zwangsarbeit leisten. 1942 heirateten Walter und Leonie. Im darauf folgenden Jahr kam ihr erster Sohn Peter-Uri zur Welt, 1944 der zweite Sohn Michael. Mit ihren beiden Kindern fand Leonie zeitweise Unterschlupf bei einer Bäuerin in Briesenhorst. Die letzten Kriegstage Ende April 1945 erlebte die Familie in einem öffentlichen Bunker. Im November 1945 gelang es Leonie, mit den beiden Kindern nach Palästina auszuwandern. Walter wurde beim Versuch, ebenfalls nach Palästina zu emigrieren, gefasst und von den [[Vereinigtes Königreich|britschen]] Mandatsmacht wegen illegaler Einwanderung auf [[Zypern]] interniert.<ref name="spiegel"/> Im Spätsommer 1947 kam die Familie wieder zusammen. Unmittelbar nach der Ausrufung des [[Israel|israelischen Staates]] wurde Walter einberufen und kämpfte 1948 im Unabhängigkeitskrieg. 1953 machte er sich mit einem Freund selbstständig und baute in verschiedenen Kibbuzim Bewässerungssysteme. 1956 emigierte die Familie Frankenstein nach Schweden. 1965 gab Walter seine Arbeit als Maurer aus gesundheitlichen Gründen auf. Er holte er sein Abitur nach und begann ein Ingenieursstudium, das er 1970 abschloss. 1984 wurde er pensioniert. Danach unternahm Walter Frankenstein zusammen mit seiner Frau viele Reisen, auch nach Deutschland und Israel. Am 19. Mai 2009 verstarb Leonie Frankenstein im Alter von 87 Jahren in Stockholm.<ref name="bzberlin"/> Die beide waren bis zu ihrem Tod 67 Jahre verheiratet. Für sein Engagement als Zeitzeuge erhielt Walter am 30. Juni 2014 das Bundesverdienstkreuz. Im Jüdischen Museum Berlin ist eine Sammlung von mehr als 1.100 Objekten über Walter Frankenstein ausgestellt.<ref>[https://www.jmberlin.de/thema-walter-frankenstein Walter Frankenstein | Jüdisches Museum Berlin]</ref> | Walter Frankenstein wurde 1924 als Kind jüdischer Eltern in Flatow in Westpreußen im heutigen [[Polen]] geboren. Seine Eltern betrieben dort eine Gastwirtschaft und einen Krämerladen. Am 1. April 1933 wurde im Nationalsozialismus zum Boykott jüdischer Geschäftsleute aufgerufen.<ref name="bzberlin">[https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/walter-frankenstein-93-mit-angst-haette-ich-keine-chance-gehabt Walter Frankenstein (93): „Mit Angst hätte ich keine Chance gehabt“ – B.Z. Berlin, 3. Februar 2018]</ref> Ab 1936 durfte Walter die öffentliche Schule nicht mehr besuchen. Sein Vater war bereits einige Jahre vorher gestorben, daher vermittelte ihm ein Onkel einen Platz im Auerbach´schen Waisenhaus in [[Berlin]]. In diesem Heim für jüdische Kinder lernte er 1941 auch seine spätere Ehefrau Leonie Rosner kennen, die dort als Praktikantin anfing zu arbeiten.<ref name="spiegel">[https://www.spiegel.de/geschichte/holocaust-ueberlebender-walter-frankenstein-keine-angst-vor-nazis-a-1176967.html Holocaust-Überlebender Walter Frankenstein: Keine Angst vor Nazis - SPIEGEL ONLINE, 14.12.2017]</ref> Ab 1938 absolvierte Walter Frankenstein eine Lehre als Maurer an der Bauschule der Jüdischen Gemeinde. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] musste er ab 1941 Zwangsarbeit leisten. 1942 heirateten Walter und Leonie. Im darauf folgenden Jahr kam ihr erster Sohn Peter-Uri zur Welt, 1944 der zweite Sohn Michael. Mit ihren beiden Kindern fand Leonie zeitweise Unterschlupf bei einer Bäuerin in Briesenhorst. Die letzten Kriegstage Ende April 1945 erlebte die Familie in einem öffentlichen Bunker. Im November 1945 gelang es Leonie, mit den beiden Kindern nach Palästina auszuwandern. Walter wurde beim Versuch, ebenfalls nach Palästina zu emigrieren, gefasst und von den [[Vereinigtes Königreich|britschen]] Mandatsmacht wegen illegaler Einwanderung auf [[Zypern]] interniert.<ref name="spiegel"/> Im Spätsommer 1947 kam die Familie wieder zusammen. Unmittelbar nach der Ausrufung des [[Israel|israelischen Staates]] wurde Walter einberufen und kämpfte 1948 im Unabhängigkeitskrieg. 1953 machte er sich mit einem Freund selbstständig und baute in verschiedenen Kibbuzim Bewässerungssysteme. 1956 emigierte die Familie Frankenstein nach Schweden. 1965 gab Walter seine Arbeit als Maurer aus gesundheitlichen Gründen auf. Er holte er sein Abitur nach und begann ein Ingenieursstudium, das er 1970 abschloss. 1984 wurde er pensioniert. Danach unternahm Walter Frankenstein zusammen mit seiner Frau viele Reisen, auch nach [[Deutschland]] und Israel. Am 19. Mai 2009 verstarb Leonie Frankenstein im Alter von 87 Jahren in Stockholm.<ref name="bzberlin"/> Die beide waren bis zu ihrem Tod 67 Jahre verheiratet. Für sein Engagement als Zeitzeuge erhielt Walter am 30. Juni 2014 das Bundesverdienstkreuz. Im Jüdischen Museum Berlin ist eine Sammlung von mehr als 1.100 Objekten über Walter Frankenstein ausgestellt.<ref>[https://www.jmberlin.de/thema-walter-frankenstein Walter Frankenstein | Jüdisches Museum Berlin]</ref> | ||
Ein Freund der Familie seiner Eltern brachte Walter das [[japan]]isches Verteidigungssystem Jiu Jitsu bei. Das sorgte dafür, dass Walter nach eigener Aussage in seinem Leben seitdem nie wieder Angst hatte.<ref name="spiegel"/> Walter Frankenstein ist seit 1936 Fan des Fußballclubs Hertha BSC und war bis zum Besuchsverbot 1939 treuer Gast bei ihren Spielen im damaligen Stadion am Gesundbrunnen, der sogenannten Plumpe. Erst 2018 besuchte er erstmals seit dem Nationalsozialismus wieder ein Spiel seines Lieblingsvereins – in einer Ehrenloge im Olympiastadion. Der Verein verlieh ihm die Ehrenmitgliedschaft mit der Nummer 1924, seinem Geburtsjahr.<ref name="stiftdenk"/><ref>[https://www.herthabsc.de/de/intern/walter-frankenstein/page/14223--17-17-.html Eine Verbindung fürs Leben - HerthaBSC.de]</ref> | Ein Freund der Familie seiner Eltern brachte Walter das [[japan]]isches Verteidigungssystem Jiu Jitsu bei. Das sorgte dafür, dass Walter nach eigener Aussage in seinem Leben seitdem nie wieder Angst hatte.<ref name="spiegel"/> Walter Frankenstein ist seit 1936 Fan des Fußballclubs Hertha BSC und war bis zum Besuchsverbot 1939 treuer Gast bei ihren Spielen im damaligen Stadion am Gesundbrunnen, der sogenannten Plumpe. Erst 2018 besuchte er erstmals seit dem Nationalsozialismus wieder ein Spiel seines Lieblingsvereins – in einer Ehrenloge im Olympiastadion. Der Verein verlieh ihm die Ehrenmitgliedschaft mit der Nummer 1924, seinem Geburtsjahr.<ref name="stiftdenk"/><ref>[https://www.herthabsc.de/de/intern/walter-frankenstein/page/14223--17-17-.html Eine Verbindung fürs Leben - HerthaBSC.de]</ref> | ||
Zeile 11: | Zeile 11: | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
*2008: ''Nicht mit uns: Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein'', Klaus Hillenbrand, 251 Seiten, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, {{ISBN|978-3633542321}} | *2008: ''Nicht mit uns: Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein'', Klaus Hillenbrand, 251 Seiten, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, {{ISBN|978-3633542321}} | ||
== Quellen == | == Quellen == | ||
<references/> | <references/> | ||
{{Normdaten|TYP=p|GND=138435782|LCCN=no2008188294|NDL=|VIAF=98524778|Wikidata=Q63869747}} | |||
{{SORTIERUNG:Frankenstein, Walter}} | {{SORTIERUNG:Frankenstein, Walter}} |
Aktuelle Version vom 25. Mai 2024, 09:19 Uhr
Walter Frankenstein (* 30. Juni 1924 in Flatow, Westpreußen[1]) ist ein schwedischer Holocaust-Überlebender deutscher Herkunft.
Leben
Walter Frankenstein wurde 1924 als Kind jüdischer Eltern in Flatow in Westpreußen im heutigen Polen geboren. Seine Eltern betrieben dort eine Gastwirtschaft und einen Krämerladen. Am 1. April 1933 wurde im Nationalsozialismus zum Boykott jüdischer Geschäftsleute aufgerufen.[2] Ab 1936 durfte Walter die öffentliche Schule nicht mehr besuchen. Sein Vater war bereits einige Jahre vorher gestorben, daher vermittelte ihm ein Onkel einen Platz im Auerbach´schen Waisenhaus in Berlin. In diesem Heim für jüdische Kinder lernte er 1941 auch seine spätere Ehefrau Leonie Rosner kennen, die dort als Praktikantin anfing zu arbeiten.[3] Ab 1938 absolvierte Walter Frankenstein eine Lehre als Maurer an der Bauschule der Jüdischen Gemeinde. Während des Zweiten Weltkrieges musste er ab 1941 Zwangsarbeit leisten. 1942 heirateten Walter und Leonie. Im darauf folgenden Jahr kam ihr erster Sohn Peter-Uri zur Welt, 1944 der zweite Sohn Michael. Mit ihren beiden Kindern fand Leonie zeitweise Unterschlupf bei einer Bäuerin in Briesenhorst. Die letzten Kriegstage Ende April 1945 erlebte die Familie in einem öffentlichen Bunker. Im November 1945 gelang es Leonie, mit den beiden Kindern nach Palästina auszuwandern. Walter wurde beim Versuch, ebenfalls nach Palästina zu emigrieren, gefasst und von den britschen Mandatsmacht wegen illegaler Einwanderung auf Zypern interniert.[3] Im Spätsommer 1947 kam die Familie wieder zusammen. Unmittelbar nach der Ausrufung des israelischen Staates wurde Walter einberufen und kämpfte 1948 im Unabhängigkeitskrieg. 1953 machte er sich mit einem Freund selbstständig und baute in verschiedenen Kibbuzim Bewässerungssysteme. 1956 emigierte die Familie Frankenstein nach Schweden. 1965 gab Walter seine Arbeit als Maurer aus gesundheitlichen Gründen auf. Er holte er sein Abitur nach und begann ein Ingenieursstudium, das er 1970 abschloss. 1984 wurde er pensioniert. Danach unternahm Walter Frankenstein zusammen mit seiner Frau viele Reisen, auch nach Deutschland und Israel. Am 19. Mai 2009 verstarb Leonie Frankenstein im Alter von 87 Jahren in Stockholm.[2] Die beide waren bis zu ihrem Tod 67 Jahre verheiratet. Für sein Engagement als Zeitzeuge erhielt Walter am 30. Juni 2014 das Bundesverdienstkreuz. Im Jüdischen Museum Berlin ist eine Sammlung von mehr als 1.100 Objekten über Walter Frankenstein ausgestellt.[4]
Ein Freund der Familie seiner Eltern brachte Walter das japanisches Verteidigungssystem Jiu Jitsu bei. Das sorgte dafür, dass Walter nach eigener Aussage in seinem Leben seitdem nie wieder Angst hatte.[3] Walter Frankenstein ist seit 1936 Fan des Fußballclubs Hertha BSC und war bis zum Besuchsverbot 1939 treuer Gast bei ihren Spielen im damaligen Stadion am Gesundbrunnen, der sogenannten Plumpe. Erst 2018 besuchte er erstmals seit dem Nationalsozialismus wieder ein Spiel seines Lieblingsvereins – in einer Ehrenloge im Olympiastadion. Der Verein verlieh ihm die Ehrenmitgliedschaft mit der Nummer 1924, seinem Geburtsjahr.[1][5]
2008 veröffentlichte der deutsche Politologie und Journalist Klaus Hillenbrand sein Werk Nicht mit uns: Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein. Am 21. Januar 2014 war Walter Frankenstein zu Gast in der ZDF-Talkshow Markus Lanz.
Literatur
- 2008: Nicht mit uns: Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein, Klaus Hillenbrand, 251 Seiten, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, ISBN 978-3633542321
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas: Gestern wurde der Holocaust-Überlebende Walter Frankenstein 95 Jahre alt
- ↑ 2,0 2,1 Walter Frankenstein (93): „Mit Angst hätte ich keine Chance gehabt“ – B.Z. Berlin, 3. Februar 2018
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Holocaust-Überlebender Walter Frankenstein: Keine Angst vor Nazis - SPIEGEL ONLINE, 14.12.2017
- ↑ Walter Frankenstein | Jüdisches Museum Berlin
- ↑ Eine Verbindung fürs Leben - HerthaBSC.de
NAME | Frankenstein, Walter |
KURZBESCHREIBUNG | schwedischer Holocaust-Überlebender deutscher Herkunft |
GEBURTSDATUM | 30. Juni 1924 |
GEBURTSORT | Flatow, Westpreußen |